Anzeige
Paläontologie

Urzeit-Pandabär im Allgäu entdeckt

11,5 Millionen Jahre alter Verwandter der asiatischen Pandas ist erster Fund in Mitteleuropa

Kretzoiarctos beatrix
Wie genau der Urzeit-Panda Kretzoiarctos beatrix aussah, ist unbekannt. Daher wissen wir nicht, ob er bereits schwarzweiß gefärbt war oder noch eher bräunlich wie die meisten anderen Bären. © Baperookamo/ CC-by-sa 4.0

Uropa der Pandas: Im Allgäu haben Paläontologen die 11,5 Millionen Jahre alten Überreste eines Pandabären entdeckt – des ältesten Verwandten der asiatischen Großen Pandas. Das Fossil ist der erste Nachweis eines Kretzoiarctos beatrix nördlich der Iberischen Halbinsel und der erste Fund dieser Art in Mitteleuropa. Zahnanalysen des Fossils verraten, dass dieser europäische Ur-Panda offenbar noch nicht auf Bambus und ähnlich harte Pflanzennahrung spezialisiert war. Stattdessen ernährte er sich ähnlich wie die heutigen Braunbären.

Heute kommen Große Pandas (Ailuropoda melanoleuca) nur noch in einigen entlegenen Bambuswäldern Chinas vor. Doch bis vor einigen Millionen Jahren war dies anders: Mitglieder der Pandabären-Unterfamilie kamen noch bis vor rund sechs Millionen Jahren auch in Südosteuropa vor. 2012 belegten Fossilfunde in Nordspanien zudem, dass der weltweit älteste bekannte Pandabären-Vorfahre, die vor 11,5 Millionen Jahren lebende Art Kretzoiarctos beatrix, ebenfalls „Europäer“ war.

Seither ist strittig, ob sich die ikonische Gruppe der Pandabären in Europa oder Asien entwickelt hat.

Zähne von Kretzoiarctos beatrix
Drei der in der Hammerschmiede gefundenen Zähne von Kretzoiarctos beatrix aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. © Kargopoulos et al./ Papers in Palaeontology, CC-by 4.0

14 Bärenzähne in der Menschenaffen-Fundstätte

Jetzt gibt es einen weiteren, überraschenden Pandabären-Fund: Erstmals haben Paläontologen den Urzeit-Panda Kretzoiarctos beatrix auch in Mitteleuropa entdeckt – in der bekannten Fossilienfundstätte Hammerschmiede nahe Kaufbeuren im Ostallgäu. Dort haben Paläontologen im Jahr 2019 den schon vor 11,5 Millionen Jahren aufrecht gehenden Menschenaffen Danuvius guggenmosi entdeckt, im Jahr 2024 folgte dort die zweite urzeitliche Menschenaffenart Buronius manfredschmidi.

Bei den jüngsten Ausgrabungen stießen die Paläontologen unter Leitung von Madelaine Böhme von der Universität Tübingen neben zahlreichen Relikten von Raubtieren auch auf 14 rund 11,5 Millionen Jahre alte Zähne eines Bärenartigen. Nähere Analysen ergaben, dass es sich dabei um Zähne von Kretzoiarctos beatrix handelt – ein unerwarteter Fund. „Dies dokumentiert erstmals das Vorkommen der Gattung Kretzoiarctos außerhalb der Iberischen Halbinsel“, berichten das Forschungsteam. „Es erweitert das Verbreitungsgebiet dieses Bären bis nach Mitteleuropa.“

Anzeige

Was fraß der Ur-Panda Kretzoiarctos beatrix?

Spannend sind die Fossilien dieser Riesenpanda-„Uropas“ aber auch, weil sie mehr darüber verraten, wie die Pandabären zu Bambusfressern wurden. Denn die Pandas gehören eigentlich zur Ordnung der Carnivoren – der Raubtiere – und sind auch genetisch eher Fleischfresser als Vegetarier, wie DNA-Analysen belegen. Selbst ihre Darmflora weist noch die typische Bakteriengemeinschaft fleischfressender Bären auf. Umso rätselhafter ist es, wie und wann genau die Pandabären zu reinen Pflanzenfressern wurden.

Wie der Speiseplan des Kretzoiarctos beatrix aus dem Allgäu aussah, hat das Team um Böhme und Erstautor Nikolaos Kargopoulos von der Universität Tübingen anhand der fossilen Zähne genauer untersucht. Dafür verglichen die Forschenden die Makro- und Mikromorphologie der Zähne mit der von Braunbären, Eisbären, Brillenbären sowie Großen Pandas. Die Form der Zahnhöcker, aber auch das durch das Futter entstandene Muster der Kratzer und Abnutzung liefert dabei Hinweise auf die Ernährung.

Zahnkratzer
Vergleich der Mikromorphologie auf der Kaufläche eines Zahns des Großen Panda (links), des Kretzoiarctos und des Braunbären (rechts). © Eberhard Karls Universität Tübingen

Weder Bambus noch reine Fleischkost

Die Zahnanalysen enthüllten: Der Urzeit-Panda Kretzoiarctos war noch kein reiner Pflanzen- oder Bambusfresser wie die heutigen Riesenpandas. Ein reiner Fleischfresser wie der heutige Eisbär war der ausgestorbene Pandabär aber auch nicht mehr. Stattdessen ähnelte seine Ernährung eher der eines modernen Braunbären, wie die Paläontologen ermittelten. Demnach fraß Kretzoiarctos beatrix sowohl pflanzliche als auch tierische Bestandteile. An besonders harte Pflanzenteile war er aber noch nicht angepasst.

„Diese Ergebnisse sind wichtig für unser Verständnis der Evolution von Bären und der Entwicklung des Veganismus bei den Großen Pandas“, erklärt Böhme. „Kretzoiarctos beatrix, der älteste Große Panda, war demnach ein Generalist.“ Die Spezialisierung der Pandas auf harte Pflanzenkost wie Bambus muss erst spät in ihrer Evolution stattgefunden haben, wie die Paläontologen erklären.

Einzigartige Raubtier-Vielfalt

Der Ur-Panda war zwar die einzige Bärenart, von der das Team Relikte im Allgäu fand – aber Raubtiere aller Art gab es vor 11,6 Millionen Jahren dort reichlich: Fossilien von insgesamt 28 Raubtierarten haben Böhme und ihr Team in der Hammerschmiede entdeckt. Die Spanne dieser Räuber reichte von kleinen, wieselartigen Fleischfressern bis hin zu großen Hyänen und Säbelzahnkatzen, die mehr als 100 Kilogramm auf die Waage gebracht haben dürften.

„Ihre jeweilige Hauptnahrung deckt eine große Bandbreite ab: Es gab reine Fleischfresser wie die Säbelzahnkatzen, Fischfresser wie die Otter, Knochenfresser wie die Hyänen und Insektenfresser wie die Zibetkatze“, berichtet Kargopoulos. „Einige andere Arten wie Pandas und Marder ernährten sich hingegen opportunistisch von Pflanzen und Tieren unterschiedlicher Größe.“ Böhme ergänzt: „Eine derart vielfältige Raubtierpopulation ist nicht nur fossil äußerst selten; es gibt wohl auch kaum einen modernen Lebensraum mit ähnlich vielen Arten.“ (Papers in Palaeontology, 2024; doi: 10.1002/spp2.1588)

Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

CMS-Detektor

Neue Masse für das W-Boson

Längste Jets des Kosmos entdeckt

Unsere neuesten Hirnareale altern zuerst

Geheimnisse der „Taucher-Eidechse“ gelüftet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Abenteuer Evolution - Die Ursprünge des Lebens von Walter Kleesattel

Fossilien - Über 500 Versteinerungen von Helmut Mayr und Franz Höck

Top-Clicks der Woche